Empörung kann als Ausdruck des zivilen Ungehorsams und der Bürgerbeteiligung auftreten. Wenn Menschen sich über Ungerechtigkeiten oder Missstände empören, erheben sie ihre Stimme und setzen sich für ihre Überzeugungen ein. Historisch gesehen wären viele soziale Bewegungen und Reformen ohne diese Kraft der Empörung nicht möglich gewesen. Empörung kann demnach als ein unverzichtbarer Katalysator für gesellschaftlichen Wandel betrachtet werden, der Menschen zusammenbringt und mobilisiert.

Eine tiefe Kraftquelle der Empörung ist in der moralischen Dimension dieses Gefühls zu finden. Sie verleiht einem das Gefühl, die höhere Moral, den klügeren Einblick, die wichtigere Sache oder die erstrebenswertere Vision zu haben. Empörung, gekleidet in die Form der Eingenommenheit von der Richtigkeit der eigenen bzw. der Falschheit einer abweichenden Meinung ist in gewisser Weise eine Art von Hochmut – eine Überhöhung von sich selbst und der Geringschätzung anderer Auffassungen. Wer empört ist, ist ungünstig eng assoziiert mit seiner eigenen Sicht auf die Welt. Der Empörte vergisst, dass es sich bei seiner Meinung eben nur um eine von vielen denkbaren Sichten auf einen Sachverhalt handelt und ist nicht neugierig auf das Andere, das Abweichende und nicht interessiert den eigenen Horizont zu hinterfragen.

Empörung entspringt oft dem Gefühl, dass Gerechtigkeitsprinzipien oder ethische Normen verletzt wurden. Sie entsteht als eine Abwehr, mit der man ein anderes, unliebsames Gefühl ausblenden oder verdrängen will, wie z.B. Verletztheit, Furcht, Schuldgefühl oder Beschämung. Empörung setzt somit immer eine Verletzung von Erwartungen voraus. Sie entsteht, wenn jemand oder etwas gegen eine eigene Vorstellung von dem, wie etwas sein soll oder nicht sein darf, verstößt. Damit ist sie immer subjektiv.

Hier kann man vielleicht schon erahnen: wo Licht und Kraft dieses mächtigen und kraftvollen Gefühls ist, da ist auch Schatten.

Denn unkontrollierte Empörung kommt heftig und wie ein Vulkanausbruch daher und hat unliebsame, nicht zu unterschätzende Risiken und Gefahren im Gepäck. Wenn Empörung nicht konstruktiv kanalisiert wird, kann sie – auf der Ebene des individuellen Wohlbefindens ihre Kraft äußerst ungünstig ausbreiten. Dies geschieht in Form von Frustration, Verbitterung, Lagerbildung, Kontaktabbruch und sogar Aggression.

Auf gesellschaftlicher Ebene macht sich das ebenfalls bemerkbar. Dort kann übermäßige oder undifferenzierte Empörung zu Spaltung und Polarisierung beitragen. Statt Verständigung oder Fortschritt zu fördern, kann sie Gräben noch weiter vertiefen und Konflikte sehr schnell und sehr effizient verschärfen.

Empörung ist eine heikle Angelegenheit – ein äußerst zweischneidiges Schwert. Zudem fördert sie keine Erkenntnisse oder Verständnis, sondern bestärkt nur die eigene Position, verursacht Streit, Feindseligkeit, Distanz, Isolation oder Scheinanpassung in Beziehungen. Genau betrachtet offenbart sich in der Empörung die innere Instabilität, denn wer stabil und souverän ist, der kann auch cool bleiben, wenn andere eine abweichende Meinung haben.

Ein sehr schmaler Grat tut sich auf – und es stellt sich die Frage: Wie navigiert man nun möglichst souverän in diesem explosiven Kraftfeld von Empörung?

Zunächst lohnt es sich festzuhalten und sich darüber im Klaren zu sein, womit wir es beim Phänomen der Empörung zu tun haben. Empörung ist – ebenso wie ein Konflikt – ein sich selbstorganisierendes System. Als solches betrachtet, entwickelt es sich - wie ein sich immer schneller drehendes Karussell – aus sich selbst heraus weiter, um weiter zu bestehen. Die Empörungsspirale nutzt die Empörten als Mittel zum Zweck, den eigene Fortbestand sicherzustellen.

Du bist in ein Empörungskarusell reingeraten?

  • Dann schalte deinen Verstand ein und prüfe, ob es auf der sachlich - inhaltlichen Ebene für dich in der Auseinandersetzung etwas zu gewinnen gibt, oder ob du dich auf verlorenen Posten in einem zwecklosen Diskurs befindest. Ist letzteres der Fall, dann steig erstmal aus dem Karussell aus. Man muss nicht immer zusammenkommen. „Vielen Dank - Lassen wir es mal so stehen“ Auf der zeitlichen Dimension kann es ggf. an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit weitergehen

Stell dich richtig auf: Stell dir die Frage, ob du dich von der Empörungswelle mitreißen oder lieber auf ihr surfen möchtest.

Empörung nutzt die Empörten wie Marionetten. Du möchtest keine Marionette sein, dann solltest du mit der Empörung gar nicht erst in Resonanz gehen.

Leg dir eine andere Taktik im Umgang mit der Empörung zu. Eine mögliche Taktik liegt in ihrer Entschärfung, in dem Du einen Beitrag leistest, um zu einem Klima der Toleranz und des gegenseitigen Respektes im täglichen Miteinander zu kommen.

Empörung kann durch ein Klima der Freundlichkeit (nicht Gefälligkeit), des gegenseitigen Respekts, der Höflichkeit, des Zuhören des Verstehens- (nicht des Antworten) - Willens, durch Reflexion, Neugier, Offenheit, Toleranz, mit Hilfe von Verständnis oder durch Humor abgebaut werden oder gar nicht erst entstehen.

Diese persönliche Haltung einzunehmen, ist eine aktive Entscheidung. Sei freundlich, zeige Respekt und Empathie - kleine Gesten können große Wirkung haben und eine Kultur der Zuversicht schaffen.

‼️ Wer sich nicht empört, ist deswegen aber nicht gleichgültig oder passiv, sondern kann klüger und gelassener mit Unterschieden und Widersprüchen umgehen. Nur wenn es gelingt, die Energie der Empörung in konstruktive Bahnen zu lenken, kann sie ihre positive Kraft voll entfalten und zu einer gerechteren, friedlicheren Gesellschaft beitragen.

Wir könnten daher mit der Empörung operieren: Einerseits sie als Motivation nutzen, um Missstände anzugehen, sie aber andererseits durch Vernunft, Dialog und Kompromissbereitschaft zügeln.